"Um das Spiel geht es," schrieb Shakespeare und verwendete dabei das Wort „Spiel” als Substantiv mit der Bedeutung einer Theaterproduktion. Aber für kleine Kinder zählt nur die Verbform “spielen”. Nur allzu früh wird das Leben vorgeschrieben sein, wie ein Theaterstück oder ein Film. Aber in ihren ganz frühen Jahren sind Kinder nicht nur die Schauspieler, sondern auch die Drehbuchschreiber! Sie denken sich ihre kleinen Dramen aus, führen Regie und setzen sie in Szene. Und dabei geben sie ihrer Vorstellungskraft und ihrer Kreativität eine äußere Form. Sie verlassen die Begrenztheit ihres Körpers und werden Astronauten, Mütter, Cowboys, Zirkusartisten und spielen einfach jede Rolle, die sie in ihren alltäglichen Erfahrungen kennen gelernt haben.
Wenn Sie jemals Kinder im Kindergarten beobachtet haben, dann haben Sie vielleicht etwas in der Art erlebt: eine Spielzeugrakete in der Hand und einen Helm aus Karton auf dem Kopf rennt Tim im Zimmer herum und schreit: "Ich bin ein Astronaut und ich bin im Weltall." Hätte ein Erwachsener den Vierjährigen jetzt gefragt, was ein Astronaut ist, hätte Tim wohl geantwortet: "Ein Mann im Weltall." Wenn dann der Erwachsene ganz gemein gefragt hätte: “Und was ist das Weltall?“, hätte Tim vielleicht geantwortet: "Es ist der Himmel." Oder er wäre einfach davon gelaufen, hätte gedacht, dass das eine dumme Frage ist und wäre weiter durch das All seiner Fantasie gebraust. Diese Art der „dramatischen Inszenierung" passiert Dutzende Male jeden Tag in unzähligen Häusern und Kindergärten. Es sind Momente, die man sowohl als zuschauender Erwachsener, als auch als Kind schätzen und genießen muss. Spielen muss Spaß machen, ansonsten ist es kein Spielen.
Genau wie Schauspieler Requisiten brauchen, um unsere Fantasie anzuregen, brauchen Kinder Spielsachen und andere Gegenstände, die es ihnen möglich machen, ihren Fantasien Ausdruck zu verleihen. Über die Jahrhunderte hinweg haben Erwachsene dieses Bedürfnis ihrer Kinder erkannt und darauf reagiert, indem sie ihren Kindern Spielsachen gegeben haben. Dieses Bedürfnis nach „Brennstoff“ für die Kreativität ist auch die Erklärung für all die erfolgreichen Spielsachen, die im Laufe der Geschichte erfunden wurden: Puppen, Fahrzeuge, Geschirr, Soldaten, Flugzeuge. Es ist immer spannend zu sehen, wie kleine Kinder Realität und Fantasie beim Spielen miteinander verbinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Tee- oder Kaffeeparty, die von kleinen Kinder immer und immer wieder gespielt wird. Sie tun so, als würden sie am imaginären Kaffee nippen oder einen imaginären Wasserhahn aufdrehen, um das imaginäre Wasser laufen zu lassen; aber sie werden so eine Geschichte nur selten ohne echte Tassen spielen (oder irgendeinem anderen Gegenstand aus der Realität, die sie spielen möchten), sozusagen als Ausgangspunkt. Requisiten sind sehr wichtig.
Das genannte Beispiel zeigt die Integration von imaginärem Spiel und Rollenspiel in ein soziales Umfeld. Aber Kinder benutzen dieses Spielen (oft auch dramatisches Spielen genannt) manchmal auf eine Art und Weise, die es ihnen möglich macht, Gefühle auszudrücken, von denen sie nicht recht wissen, wie sie sie anders ausdrücken sollen oder bei denen sie vielleicht Angst haben, sie auszudrücken. Man sieht z.B. wie Michaela ihrer Lieblingspuppe auf den Po klopft und dabei sagt: "Du hast dich schlecht benommen und ich mag dich nicht mehr." Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass Michaela ihre eigene Mutter nachmacht; es kann bedeutet, dass sie sich um etwas Sorgen macht, was sie angestellt hat, und Angst vor der Bestrafung hat. Sie lebt ihre Gefühle über ihr kleines Fantasiedrama aus.
Eltern müssen alles ihnen Mögliche tun, um die Kinder zu kreativem und imaginativem Spielen zu ermuntern. Sie müssen sie den Kindern helfen, Erfahrungen zu machen, die das Denken anregen und eine emotionale Reaktion hervorrufen. Die kleine Geschichte von Tim hat seinen Ursprung wohl in einer Geschichte, die ihm vorgelesen wurde oder in einem Film, den er gesehen hat. Ganz offensichtlich versteht er nicht alles, was mit dem Start einer Rakete ins Weltall zu tun hat. Aber mit seinem Spiel verarbeitet er seine Erfahrungen und gibt der Handlung seinen ganz eigenen Charakter. Er basiert sein Spiel auf das, was er weiß. Er denkt sich etwas aus und erweitert das Spiel noch. Das Wichtigste ist, er hat einfach viel Spaß dabei. Und das Wichtigste beim Spielen ist schließlich, ganz einfach Spaß zu haben.
Dr. Bettye M. Caldwell Ph.D. Professor of Pediatrics in Child Development and Education
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